Neue Reanimationsleitlinien veröffentlicht

Die Reanimationsleitlinien des European Resuscitation Council (ERC) werden alle fünf Jahre aktualisiert. Sie basieren auf dem International Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care Science des International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR). Aufgrund der Covid-Pandemie wurde die aktuelle Version nicht 2020, sondern erst 2021 offiziell veröffentlicht.

Anlassbedingt gibt es darüber hinaus seit Mitte 2020 Leitlinien zur Reanimation und Ersten Hilfe während der Corona-Pandemie. Aufgrund der Ansteckungsgefahr bestand eine große Unsicherheit darüber, wie Erste-Hilfe-Maßnahmen durchgeführt werden können, ohne dass eine Eigengefährdung besteht.

 

 Welche Veränderungen gibt es in den neuen Reanimationsleitlinien? 

Im Vergleich zu den 2015-er Leitlinien hat es im Bereich Basismaßnahmen der Reanimation und Postreanimationsbehandlung keine umfassenden Änderungen gegeben. Es wurden allerdings viele Empfehlungen aufgrund neuer Literatur und aktueller wissenschaftlicher Evidenz umfassender begründet.

Neu hinzugekommen sind die Kapitel „Epidemiologie“ und „Systeme, die Leben retten“. Sie sollen die Bedeutung wichtiger Themen wie der

  • Laienreanimation
  • Telefonreanimation
  • Ersthelfersysteme (z. B. durch mittels Apps)
  • KIDS SAVE LIVES (bereits Schüler lernen Wiederbelebung) und
  • Cardiac Arrest Zentren

mehr in den Vordergrund rücken, da sich diese Systeme als entscheidend für das Überleben erweisen können, falls kein Fachpersonal vor Ort ist, das die Erstbehandlung autark fachgerecht durchführen kann.

 

Deutschland bei Reanimation bestenfalls Mittelfeld

Im Kapitel „Epidemiologie“ werden die aktuellen europäischen Zahlen zur Reanimation verglichen. Dabei zeigt sich, dass Deutschland im europäischen Vergleich mit einer Laienreanimationsquote von 40,2 % und einer Überlebensquote von 11,2% gerade mal im Mittelfeld liegt. Der europäische Durchschnitt der Laienreanimation liegt bei 58%, die Überlebensquote bei bis zu 18%.

Ziel des Deutschen Rates für Wiederbelebung (GRC, German Resuscitation Council) ist es daher, jährlich 10.000 zusätzliche Menschenleben zu retten. Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes vergehen in Deutschland durchschnittlich neun Minuten. Das Gehirn überlebt ohne ausreichende Durchblutung aber nur 3 bis 5 Minuten. Eine Laienreanimation ist daher oft die einzige Rettung und verdreifacht die Überlebenschancen.

 

 Welche Themengebiete behandeln die neue Leitlinie? 

Die neue Leitlinie ist in folgende Kapitel aufgeteilt:

  • Epidemiologie
  • Systeme, die Leben retten
  • Basismaßnahmen zur Wiederbelebung Erwachsener (Basic Life Support [BLS])
  • Erweiterte Reanimationsmaßnahmen für Erwachsene (Advanced Life Support [ALS])
  • Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen
  • Postreanimationsbehandlung
  • Erste Hilfe
  • Versorgung und Reanimation des Neugeborenen nach der Geburt (Newborn Life Support [NLS]
  • Lebensrettende Maßnahmen bei Kindern (Pediatric Life Support [PLS])
  • Ethik
  • Ausbildung

 

 Reanimation in den Zeiten der Covid-Pandemie 

Eine Reanimation erfordert körperliche Nähe zwischen Ersthelfer und Patient. Wie können sich Laienhelfer sowie medizinisches Fachpersonal vor einer Ansteckung schützen und dabei trotzdem noch ausreichend Hilfe leisten?

Der Deutsche Rat für Wiederbelebung (GRC) empfiehlt in Anlehnung an eine Stellungnahme des ILCOR das folgende Vorgehen:

  • Die Atemkontrolle sollte sich primär auf das Überstrecken des Nackens unter Anhebung des Kinns und die Kontrolle von Brustkorbbewegungen beschränken, da bei der klassischen Reanimation Aerosole aus den Atemwegen des Patienten freigesetzt werden. Auch für die Atemkontrolle sollte sich die hilfeleistende Person derzeit nicht dem Gesicht des Patienten nähern. Reagiert der Patient nicht und sind außerdem keine Brustkorbbewegungen zu erkennen sollte davon ausgegangen werden, dass der Patient nicht atmet.
  • Halten Sie sich an PRÜFEN – RUFEN – DRÜCKEN
    PRÜFEN: Keine Reaktion auf Ansprache und Berührung? Keine Atembewegung?
    RUFEN: Alarmieren Sie sofort den Rettungsdienst.
    DRÜCKEN: Beginnen Sie unverzüglich mit der Herzdruckmassage.
    Falls vorhanden: Nutzen Sie einen AED (Automatisierten Externen Defibrillator)
  • Auf die Atemspende kann verzichtet werden, wenn die helfende Person diese nicht durchführen kann oder möchte. Außerdem sollte die Durchführung einer Atemspende von Situation zu Situation individuell erwogen werden. Die Ersthelfer können zum Eigenschutz Mund und Nase des Betroffenen mit einem luftdurchlässigen Textil bedecken.
  • Bei der Wiederbelebung von Kindern spielt die Durchführung der Atemspende eine besondere Rolle. Bei nicht atmenden Kindern ist die Überlebenschance deutlich höher, wenn sie eine Atemspende erhalten. Dies sollte trotz Infektionsrisiko bei der Abwägung beachtet werden.
  • Medizinisches Fachpersonal ist durch geeignete persönliche Schutzausrüstung (PSA) entsprechend nationalen und lokalen Vorgaben zu schützen, wenn Maßnahmen durchgeführt werden, bei denen potenziell Aerosole freigesetzt werden.
  • Medizinisches Fachpersonal sollte eine Nutzen-Risiko-Analyse bezüglich der Durchführung von potenziell Aerosole generierenden Tätigkeiten durchführen und alternativ den Einsatz eines Defibrillators erwägen. Der Patient darf dabei jedoch keinesfalls verlassen werden und der Beginn der Reanimation darf sich nicht verzögern, wenn der Defibrillator erst beschafft werden muss.

 

Besteht darüber hinaus Handlungsbedarf für Unternehmen?

Für Unternehmen, die nicht im medizinischen Sektor tätig sind, besteht bei dieser Neuveröffentlichung der Reanimationsleitlinien praktisch kein Handlungsbedarf.

  • Ihre Aushänge für die Erste Hilfe müssen aufgrund der neuen Reanimationsleitlinien nicht geändert werden.
  • Betriebliche Ersthelfer sollten über die besonderen Umstände der Reanimation während der Covid-19-Pandemie unterwiesen sein.

Sie können allerdings gemeinsam mit dem Deutschen Rat für Wiederbelebung am Ziel arbeiten, die Überlebenschancen von reanimationspflichtigen Personen in Deutschland zu verbessern. Schaffen Sie sich einen oder mehrere AED an, so dass die Defibrillatoren in einem Notfall schnell zur Hand sind. Öffnen Sie Weiterbildungskurse nicht nur den betrieblichen Ersthelfern, sondern auch interessierten anderen Arbeitnehmern. So können Sie schon mit kleinen Änderungen wichtige Effekte erzielen.